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Niereninsuffizienz 1. November 2023

Akutes Nierenversagen bei Hund und Katze

Initial ist die akute Niereninsuffizienz ohne eingehende Diagnostik häufig schwer zu erkennen. Ist man erst einmal auf der richtigen Spur, gibt es auch therapeutisch einiges zu beachten.

Die Niere ist ein lebenswichtiges Organ. Ist die geschädigt, kann es schnell ernst werden.
Die Niere ist ein lebenswichtiges Organ. Ist die geschädigt, kann es schnell ernst werden.
Inhaltsverzeichnis

Von Dr. med. vet. Verena Steiner

Die Niere ist ein wichtiges Organ und übernimmt viele Aufgaben im Körper von Hund und Katze. Ihre Hauptaufgabe ist, Stoffwechselprodukte aus dem Blut zu filtern und auszuscheiden. Darüber hinaus nimmt sie Einfluss auf den Mineral- und Hormonhaushalt und andere Regulationsmechanismen. Ist die Niere geschädigt, wird es für die betroffenen Tiere oft kritisch. Die akute Niereninsuffizienz (ANI) ist eine Erkrankung, bei der eine gründliche Anamnese und eine engmaschige therapeutische Versorgung sehr wichtig sind. Rechtzeitig erkannt und therapiert, muss nicht jede ANI fatal enden.

Nierenphysiologie und -anatomie

Die Nieren erfüllen viele verschiedene Aufgaben im Körper und helfen dabei, das physiologische Gleichgewicht des Körpers zu erhalten. Dies bewerkstelligen sie durch

  • … die Ausscheidung von Stoffwechselprodukten, wie Harnstoff und Kreatinin,
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  • … die Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts und des Säure-Basen-Haushalts,
  • … die Regulation des systemischen Blutdrucks durch die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems,

  • Top Job:


  • … die Blutbildung durch Bildung von Erythropoetin,
  • … die Steuerung des Mineralstoffwechsels durch die Produktion von Vitamin D₃.
  • Der Harntrakt besteht bei Hund und Katze aus zwei Nieren, die über die Harnleiter mit der Blase verbunden sind. Die Nieren selbst bestehen wiederum aus dem Nierenparenchym (Funktionsgewebe der Niere), welches in das Nierenmark und die Nierenrinde unterteilt wird, und dem Nierenbecken, welches den gebildeten Harn sammelt und an die Harnleiter weiterleitet (siehe Abb. 1).

    Die Nieren bestehen aus einem stark verzweigten Blutgefäßsystem, welches die besondere Blutversorgung der eigentlichen Funktionseinheiten der Niere – dem Nephron oder Nierenkörperchen (siehe Abb. 2) – sichert. Für ihre Filtrationsarbeit benötigen beide Nieren in den einzelnen Abschnitten ihres Gefäßsystems unterschiedliche Blutdrücke, um einerseits den Primärharn zu bilden und andererseits überschüssiges Wasser zu reabsorbieren. Hierzu ist eine optimale Blutversorgung unumgänglich. Daher erhalten beide Nieren, trotz ihrer relativ kleinen Größe, mit 25 % einen Großteil des Herzauswurfvolumens. Zusätzlich besitzen die Nieren selbst die Möglichkeit, Blutdruckschwankungen durch Bildung von Botenstoffen, wie Prostaglandinen (PGs), in einem gewissen Bereich auszugleichen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit dieses Organs für den Körper. Fällt der Blutdruck jedoch unter die Autoregulationsschwelle der Nieren von 60 mmHg, kann der Blutdruck in den verschiedenen Abschnitten des renalen Gefäßsystems abfallen und die Niere ihre Filtrationsleistung nicht mehr aufrechterhalten. Zu den Auslösern zählen eine durch Narkose induzierte Vasodilatation oder eine reduzierte Bildung von PGs durch die Gabe von nichtsteroidalen Entzündungshemmern.

    Wie sollten Katzen mit Nierenerkrankung im Frühstadium gefüttert werden?
    Katzenfütterung im Frühstadium chronischer Niereninsuffizienz
    Protein und Phosphor dürfen nicht zu stark reduziert werden.

    Eine Niere besteht – abhängig von Spezies und Alter – aus 200.000 bis 400.000 Nephronen. Ein einzelnes Nephron setzt sich aus verschiedenen Einheiten zusammen: dem arteriellen Gefäßknäuel (Glomerulum), welches aus einer zuführenden (afferenten) und einer abführenden (efferenten) Arteriole besteht, der Bowmanschen Kapsel und dem Tubulusapparat mit seinen verschiedenen funktionellen Anteilen (siehe Abb. 2). Die Gefäßwand des Glomerulums, die Zellen der Bowmanschen Kapsel sowie die dazwischen liegende Basalmembran bilden zusammen eine selektiv-permeable Filtrationsmembran.

    Das durchströmende Blut wird durch das speziell aufgebaute Gefäßnetz, die sich dadurch aufbauenden Druckgradienten und die selektiv-permeable Membran gefiltert. Es entsteht der sogenannte Primärharn (ein zell- und proteinfreies Ultrafiltrat). Im angrenzenden Tubulussystem werden im Weiteren Elektrolyte und chemische Substanzen reabsorbiert und sekretiert. Die Nieren reichern dadurch harnpflichtige Substanzen, wie z. B. Harnstoff, im Harn an und verhindern, dass benötigte Stoffe, wie z. B. Glukose, verloren gehen.

    Im letzten Teil des Tubulusapparates (v. a. Sammelrohr) erfolgt die abschließende Rückgewinnung von Wasser und es entsteht ein konzentrierter Sekundärharn.

    Labordiagnostisch genutzte Nierenwerte

    Die Funktionsleistung der Niere (auch Clearance genannt) hängt stark von der glomerulären Fil­trationsrate (GFR) ab. Die GFR ist die Menge an flüssigen Blutbestandteilen, die pro Zeit in allen vorhandenen Nephronen der Nieren filtriert wird. Die GFR beschreibt sozusagen die Bildungsrate des Primärharns und gibt Aufschluss über die Funktionsleistung des vorhandenen Nierengewebes.

    Im Praxisalltag wird die Nierenfunktion meist durch die Bestimmung von Kreatinin und SDMA (symmetrisches Dimethylarginin) gemessen. Diese Nierenparameter hängen spezifisch mit der GFR zusammen und steigen bei Verlust der Nierenfunktion an. Zusätzlich können auch Werte wie Harnstoff, Phosphor oder Kalium zur Beurteilung der Nierenfunktion herangezogen werden. Sie sind jedoch weniger spezifisch, da sie stärker von anderen Faktoren wie z. B. der Ernährung beeinflusst werden können.

    Bei einem Funktionsverlust kann es, abhängig vom Ausmaß der Schädigung, zu einer reduzierten Harnkonzentrationsfähigkeit bis hin zum Anstieg harnpflichtiger Stoffe wie Kreatinin, SDMA und/ oder Harnstoff (der sogenannten Azotämie) im Blut kommen.

    Der Kreatininwert sollte jedoch mit Vorsicht beurteilt werden, da dieser bei abnehmender Nierenfunktion erst verzögert ansteigt. Das bedeutet, dass es erst zu einem Anstieg über den Referenzwert kommt, wenn mehr als 80 % der vorhandenen Nephrone beider Nieren zugrunde gegangen sind. Hierdurch werden relevante Nierenschädigungen oft zu spät erkannt. Deswegen sollte bei einem Kreatininanstieg von 0,3 mg/dl im Vergleich zum Ausgangswert von einem akuten Nierenschaden ausgegangen werden. Eine weitere Möglichkeit, eine reduzierte Nierenfunktion nachzuweisen, bietet die Messung von SDMA. Dieses beginnt bereits bei einem Funktionsverlust von 40 % anzusteigen, unterliegt jedoch starken individuellen Schwankungen.

    Andere Parameter im Harn, die auf eine akute Nierenschädigung hindeuten, sind ein vermehrtes Auftreten von granulierten Zylindern im Harn (Ausgüsse des Tubulusapparates) sowie ein positives Glukose-Harntestfeld (Glukose im Urin) ohne eine Erhöhung des Blutzuckers (siehe Tab. 1). Beide Harnbefunde weisen auf eine Schädigung bzw. den Untergang des Tubulusepithels hin.

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    Pathophysiologie des akuten Nierenversagens

    Eine akute Niereninsuffizienz (ANI) bzw. Nierenschädigung ist definiert als eine abrupte Abnahme der Nierenfunktion. Wichtig ist, eine akute Niereninsuffizienz rechtzeitig zu erkennen und von einer chronischen Nierenerkrankung zu unterscheiden. Im Gegensatz zur chronischen Nierenerkrankung kann die ANI bei adäquater Therapie reversibel sein.

    Der klinische Verlauf der ANI wird in vier Phasen unterteilt (siehe Abb. 3):

  • Die Initiationsphase tritt während und unmittelbar nach der Nierenschädigung (Insult) auf. Bei Hund und Katze können unterschiedliche Auslöser zugrunde liegen (siehe Tab. 2).
  • Die zweite Phase ist die Ausdehnungsphase. Die Zellschädigung und der damit einhergehende Nierenschaden dehnen sich durch freiwerdende Entzündungsmediatoren und mangelhafte Durchblutung weiter aus. Die Tubuluszellen sterben ab, verlieren ihre Verbindung zur Basalmembran und verstopfen das Lumen des Tubulus. Dadurch fängt die GFR drastisch an zu sinken. Während der ersten beiden Phasen sind die Tiere oft asymptomatisch und zeigen sowohl klinisch als auch in den Blutwerten keine Auffälligkeiten.
  • Die dritte Phase, die Erhaltungsphase, kann Tage bis Wochen dauern. Sie ist in der Regel durch Azotämie und/oder unspezifische Symptome wie Erbrechen, Übelkeit oder Inappetenz gekennzeichnet. Während der ersten drei Phasen sinkt die GFR progressiv ab, sodass von bestimmten Patienten kaum bis kein Harn mehr gebildet werden kann. In diesen Fällen spricht man von einer Oligurie (< 0,5 ml/kg/h Urin) oder Anurie (keine Urinproduktion).
  • Die vierte Phase ist die Erholungsphase. Vorhandene Vorläuferzellen vermehren sich, wandern entlang der intakten Basalmembran der Nierentubuli und beginnen sich entsprechend dem Tubulusteil zu differenzieren. Mit steigender Durchlässigkeit der Nierentubuli beginnt die GFR anzusteigen und die Azotämie verbessert sich. Aufgrund der noch unzureichenden Tubulusfunktion und der osmotischen Diurese (die vielen angesammelten Stoffe ziehen zum Konzentrationsausgleich Wasser ins Tubuluslumen) kann es zu einer ausgeprägten Polyurie (vermehrte Harnproduktion) kommen. Diese Phase kann mehrere Tage bis Wochen dauern.
  • Ursachen und Symptome des akuten Nierenversagens

    Es gibt viele Ursachen für eine ANI, die teilweise bei Hunden und Katzen verschieden sein können (siehe Tab. 2). Es sollte jeder Versuch unternommen werden, um die Ursache so früh wie möglich zu identifizieren.

    Die International Renal Interest Society (IRIS) hat für Hunde und Katzen ein System zur Klassifizierung des Schweregrades der ANI entwickelt (svg.to/iris-grading). Die Prognose für den Ausgang von Patienten mit ANI hängt jedoch nicht von der Schwere der initialen Azotämie ab, sondern vielmehr von der Ätiologie und dem Ansprechen auf die Therapie (Kreatinin-Entwicklung über den Therapieverlauf).

    Die meisten Ursachen für eine ANI lassen sich unterteilen in Nephrotoxine, für die Nieren toxische Stoffe, oder Stoffe bzw. Ereignisse, die eine Durchblutungsstörung der Niere auslösen (renale Ischämie).

    Initial zeigen sich häufig Symptome wie

  • Inappetenz (siehe Abb. 4),
  • Erbrechen,
  • Durchfall,
  • vermehrtes Trinken (Polydipsie; siehe Abb. 5),
  • vermehrte Harnproduktion (Polyurie).
  • Die Anzeichen sind allerdings oft unspezifisch. Daher sind eine gründliche Anamnese und eine klinische Untersuchung in vielen Fällen hilfreich, um die Ursache sowie die Dauer der Erkrankung einzuschätzen. Die Unterscheidung zwischen einem akuten und einem chronischen Nierenversagen sind essenziell für die Therapie sowie für die Prognose des Patienten. Da beim chronischen Nierenversagen bereits funktionelles Nierengewebe zugrunde gegangen ist und durch Bindegewebe ersetzt wurde, ist dieser Prozess nicht reversibel.

    Patienten mit einer akuten Niereninsuffizienz (ANI) sind im Allgemeinverhalten oft verändert: Im Vergleich zu Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz (CNI) steigen harnpflichtige Substanzen aufgrund der akut reduzierten Nierenleistung relativ schnell im Blut an, ohne dass sich ein Gewöhnungseffekt einstellen konnte. Zudem zeigen Patienten mit einer CNI oft ein struppiges Haarkleid mit reduzierter Muskelmasse – ein Zeichen für eine länger bestehende Erkrankung (siehe Abb. 6). Zusätzlich sind in den meisten Fällen die Nieren bei einer ANI normal bis leicht vergrößert und mitunter palpatorisch schmerzhaft. Die Nieren bei einer CNI sind im Gegensatz oft verkleinert und höckerig (siehe Tab. 3).

    Patienten mit einer CNI zeigen zusätzlich oft Abweichungen im Blutbild, wie eine nicht regenerative Anämie und/oder veränderte Nebenschilddrüsen im Ultraschall. Diese Symptome können sekundär zu einem länger andauernden Krankheitsprozess auftreten.

    Wichtige Fragen für die Anamnese

    • Prädisponierende Vorerkrankungen, wie z. B. chronische Niereninsuffizienz, Dehydratation (siehe Tab. 4), Herzerkrankungen, Sepsis?
    • Vorbericht von Trauma, Schock oder Narkose?
    • Medikamente (Dosierung, Dauerpräparate, wie z. B. Entzündungshemmer, Entwässerung, Antibiose, Chemotherapie)?
    • Zugang zu Fremdstoffen (Frostschutzmittel, Rattengift etc.)?
    • Impfstatus (wann, welcher Impfstoff)?
    • Auslandsaufenthalt?
    • Ektoparasitenschutz?

    Management und Behandlung

    Die Korrektur und Aufrechterhaltung des Hydratations-, Säure-Basen- und Elektrolythaushalts des Tieres sind die Eckpfeiler der Behandlung einer ANI. Daher ist es zwingend erforderlich, die Nierendurchblutung zu optimieren und mögliche Flüssigkeitsdefizite innerhalb von vier bis sechs Stunden zu ersetzen.

    Merke!

    Flüssigkeitsbedarf = Grundumsatz (44–66 ml/kg/Tag) + Dehydratation (Körpergewicht in kg x ­geschätzter Dehydratation [siehe Tab. 4] in % x 1.000) + geschätzte weitere Flüssigkeitsverluste durch z. B. Erbrechen oder Durchfall

    Anzeichen einer Überhydratation

    Traditionell wurde intravenös so viel Flüssigkeit verabreicht, wie das Tier ohne Nebenwirkungen vertragen konnte. Eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr ist jedoch nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer Verbesserung der Nierenfunktion und der Überlebenschance. Kommt es zu einer Überhy dratation, kann sich die ANI sogar verschlimmern. Durch die Bildung von venösen Stauungen und Ödemen innerhalb der betroffenen Niere wird der Druck auf intrarenale Gefäße und Tubuli erhöht.

    Vermehrtes Trinken kann ein Hinweis auf Hyperkortizismus sein.
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    Patienten, die an einer Überhydratation leiden, zeigen initial häufig unspezifische klinische Symptome, die denen der akuten Niereninsuffizienz sehr ähnlich sind. Erst im fortgeschrittenen Stadium neigen diese Patienten zu Flüssigkeitsansammlungen im subkutanen Bindegewebe (Ödem), in den Lidbindehäuten (Chemose) sowie in Brusthöhle (Pleuraerguss), Bauchhöhle (Aszites) und lebenswichtigen Organen (wie der Lunge).

    Im frühen Stadium einer übermäßigen Flüssigkeitsaufnahme zeigen sich Symptome wie

  • Zittern,
  • Übelkeit (vermehrtes Schlucken und Lippenlecken),
  • Erbrechen,
  • Ruhelosigkeit,
  • nasaler Ausfluss,
  • Tachypnoe (gesteigerte Atemfrequenz).
  • Anzeichen für ein fortgeschrittenes Stadium einer übermäßigen Flüssigkeitszufuhr sind hingegen

  • Husten,
  • Dyspnoe,
  • Durchfall,
  • Chemose,
  • Aszites,
  • Pleuraerguss,
  • Depression,
  • subkutanes Ödem,
  • Lungenödem.
  • Zusätzlich kann die Feuchtigkeit der Schleimhäute zur Einschätzung des Hydratationszustandes eines Patien­ten, der an einer Urämie leidet, nur eingeschränkt herangezogen werden. Die Tiere scheiden oft harnpflichtige Stoffe über die Schleimhäute aus und entwickeln dadurch trockene bis pappige Schleimhäute, eine sogenannte Xerostomie (Mundtrockenheit).

    Zur Kontrolle, ob das gewünschte Flüssigkeitsziel (Rehydratation) erreicht ist, wird zum Zeitpunkt der Präsentation aus dem initialen Körpergewicht und der geschätzten Dehydratation ein Zielgewicht berechnet. Patienten sollten nun regelmäßig mindestens alle vier Stunden gewogen werden (am besten nach dem Harnabsatz), bis das Zielgewicht erreicht wurde. Jedoch sollten auch Vitalparameter und der Blutdruck regelmäßig gemessen werden, da ein Anstieg der Atemfrequenz und/oder des Blutdrucks Anzeichen einer Überhydratation sein können.

    Kontrolle der Urinproduktion

    Wenn der Patient rehydriert ist, sollte die Harnproduktion entsprechend steigen und der Patient kann bis zur Regeneration seines Tubulusepithels eine erhöhte Harnmenge aufweisen (eine sogenannte Polyurie, ca. 2–5 ml/kg/h). Steigt die Harnproduktion nach Rehydratation nicht an, wird abhängig von der noch gebildeten Harnmenge von einer Anurie (keine Harnproduktion) oder Oligurie (reduzierte Harnproduktion, ca. < 0,5 ml/kg/h) gesprochen.

    Zur Kontrolle der Urinproduktion empfiehlt sich die Bestimmung der „INs and OUTs“ des Patienten (verabreichte Infusionsrate im Verhältnis zum produzierten Harnvolumen über eine be­stimmte Zeit). Dies sollte allerdings nur bei bereits rehydrierten Tieren durchgeführt werden!

    Die Messung der INs and OUTs kann dann zur Bestimmung der adäquaten Infusionsvolumina verwendet werden. Es wird empfohlen, die INs and OUTs für ein kurzes Zeitintervall, normalerweise vier Stunden, zu berechnen und die Infusionsrate entsprechend alle vier Stunden anzupassen. Der Flüssigkeitsbedarf eines rehydrierten Patienten ergibt sich dann aus dem Flüssigkeitsverlust über die Verdunstung bei der Atmung. Hinzu kommt die verlorene Flüssigkeit durch Erbrechen, Durchfall und das produzierte Harnvolumen. Aus diesen Verlusten ergibt sich das Volumen der intravenös zu verabreichenden Flüssigkeit. Diese Messung trägt dazu bei, die Hydratation aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das Risiko einer Flüssigkeitsüberlastung zu minimieren.

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    Einsatz von Diuretika

    Der Einsatz von Diuretika (z. B. Furosemid) kann bei oligurischen bzw. anurischen Patienten die Urinproduktion steigern, auch wenn deren Einsatz kontrovers diskutiert wird. Obwohl Furosemid durch seine Wirkung auf die Nierentubuli die Urinausscheidung erhöhen kann, führt es nicht zu einer Steigerung der GFR oder zu einer Verbesserung der Prognose des Patienten. Dennoch kann eine intravenöse Flüssigkeitstherapie zur Korrektur des Säure-Basen- und Elektrolyt-Ungleichgewichts durch die zusätzliche Gabe von Diuretika erleichtert werden.

    Behandlung von Hyperkaliämie

    Durch die reduzierte Kaliumausscheidung bei olig­urischen oder anurischen Patienten kann eine mäßige bis schwere und lebensbedrohliche Hyperkaliämie auftreten.

    Der erste und wichtigste Schritt in der Therapie der Hyperkaliämie besteht darin, die Urinproduktion und -ausscheidung sicherzustellen. Bis die Harnproduktion steigt, können diese Patienten zusätzlich medikamentös therapiert werden. Durch die Gabe von z. B. Natriumbikarbonat, intravenösem Glukosebolus, ultrakurz wirksamem Insulin oder intravenösem Kalziumglukonat kann der Kaliumspiegel gesenkt werden. Patienten, bei denen dies nicht zur gewünschten Absenkung des Kaliums führt, sollten zu einer Hämodialyse überwiesen werden.

    Ernährungsmanagement

    Die Behandlung anderer urämischer Komplikationen wie Erbrechen, reduzierte Magen-Darm-Motorik (paralytischer Ileus), Bluthochdruck und Ernährungsmanagement sind wichtige Punkte im Rahmen der gesamten Behandlung. Hierfür können verschiedene Antiemetika (Maropitan, Ondansetron) und Prokinetika (Resolor, Metoclopramid) eingesetzt werden.

    Wichtig ist es, bei solchen Patienten den benötigen Energiebedarf durch Fütterung zu decken. Tiere mit ANI leiden in der Regel an Anorexie (Appetitlosigkeit), was in Verbindung mit dem katabolen Zustand (erhöhter Stoffwechsel) zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität beitragen kann. Wenn eine Zwangsfütterung mit Spritze nicht möglich ist, kann das Legen einer Ernährungssonde die Verabreichung von enteraler Nahrung erleichtern (siehe Schritt für Schritt – Legen einer Ösophagussonde bei der Katze). Wenn die enterale Ernährung ebenfalls nicht möglich ist (z. B. bei starkem Erbrechen oder Regurgitation) und eine schnelle Besserung unwahrscheinlich erscheint, empfiehlt sich die parenterale Ernährung.

    Hämodialyse

    Patienten mit Oligurie oder Anurie, die Anzeichen einer Überhydratation (z. B. periphere Ödeme), refraktäre Hyperkaliämie und/oder eine Verschlechterung der Nierenfunktion zeigen, sollten zur Hämodialyse an eine entsprechend spezialisierte Klinik überwiesen werden.

    Indikationen für eine Hämodialyse

    • IN >> OUT, was nicht auf Entwässerung anspricht
    • Ausbleibende Besserung der Azotämie bzw. Urämie
    • Hyperkaliämie
    • Aufnahme von bestimmten nephrotoxischen Substanzen (wie z. B. Rosinen, Lilien, Ethylenglykol)
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    Prognose

    Tiere, die sich von der oligurischen oder anurischen Phase der ANI erholen oder eine milde Nierenschädigung aufweisen, entwickeln oft über Tage bis Wochen eine ausgeprägte Polyurie (häufiger Harnabsatz). Zudem stellen sich bei diesen Tieren häufig Elektrolytabweichungen ein, insbesondere Hyponatriämie und Hypokaliämie (zu wenig Natrium bzw. Kalium im Blut), die mit intravenös oder oral verabreichten Präparaten therapeutisch korrigiert werden müssen. Insgesamt liegt die gemeldete Sterblichkeit bei Hunden mit ANI bei 41–66 % und bei Katzen bei 58–73 %, je nach Ätiologie.

    Monitoring des Flüssigkeitshaushalts

    • Zielgewicht abhängig von geschätzter Dehydratation
    • Gewichtskontrolle alle zwei bis vier Stunden
    • Blutdruckmessungen
    • Klinische Parameter, z. B. Atemfrequenz

    Zusammenfassung

    • Es gibt verschiedene Ursachen der ANI bei Hund und Katze.
    • Wichtig sind eine gründliche Anamnese und eine klinische Untersuchung.
    • Abgrenzung zum chronischen Nierenversagen und eine mögliche Ursachenfindung sind essenziell für eine gezielte Therapie und Optimierung der Prognose.
    • Die ANI ist bei entsprechender Therapie reversibel (Prognose ist von Ursache und Therapie abhängig).
    • Schon ein geringer Anstieg von Kreatinin (um 0,3 mg/dl) ist von klinischer Relevanz.
    • Patienten leiden initial oft an unspezifischen Symptomen: Hinter (einmaligem) Erbrechen kann sich eine ANI verstecken!
    • Der Erhalt des Flüssigkeitshaushalts ist wichtig für die optimale Durchblutung der Niere.
    • Eine Überhydratation sollte vermieden werden!

    Literatur bei der Autorin.

    Über die Autorin

    Verena Steiner arbeitet als Tierärztin an der VetMedUni in Wien. Ihrer Leidenschaft für innere Medizin der Kleintiere geht sie dort in einer Residency nach.

    Kontakt zur Autorin: verena.steiner@vetmeduni.ac.at

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    Tab. 1: Indirekte Marker der GFR bzw. Nierenfunktion in der Praxis
    ursachen-niereninsuffizienz-kleintier.pdf (94.88 KB)
    Tab. 2: Beispiele für mögliche Ursachen einer akuten Niereninsuffizienz bei Hund und Katze
    eckpunkte-unterscheidung-nierenversagen.pdf (89.7 KB)
    Tab. 3: Klinische Eckpunkte zur Unterscheidung eines akuten von einem chronischen Nierenversagen
    klinik-zeichen-dehydratationsgraden.pdf (89.83 KB)
    Tab. 4: Klinische Zeichen bei verschiedenen Dehydratationsgraden

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